Das erste der Werke aus der Hand von Hannes Gruber, das einem in der Galerie Werner Bommer schon im Treppenhaus begegnet, trägt den Titel «Erinnerung an einem Pflaumenbaum»; es ist 1993 entstanden. Zweierlei ist da bemerkenswert: einmal die resolute Hinwendung zum Nahbereich, ist doch der Nahsicht eine besondere, eine bedrängende Nachdrücklichkeit eigen. Dazu kommt, wie der Titel besagt, dass das Ölbild sein Entstehen der Erinnerung verdankt, Formen und Farben der Natur um ihn her eine Verinnerlichung und Verwandlung erfahren haben.
«Neue Bilder im Dialog mit Arbeiten aus früheren Schaffensphasen» vorzuzeigen, heisst das Konzept von Werner Bommer. Rund fünfzig Arbeiten aus der Zeit zwischen Beginn der siebziger Jahre bis 1997 haben in diese Retrospektive Aufnahme gefunden. Die früheren Werkproben, auch solche aus dem Mittelbereich, tragen Titel: «Silser-Landschaft mit blauer Sonne», «Blauer Winterwald», «Sizilianische Nacht», «Sonnenblumen», «Fischerboote im Hafen von Gaëta», «Landschaft bei Vicosoprano» (1975); spätere tragen, und dies zu wiederholten Malen, Bezeichnungen wie «Macchie», «Chesa C» oder werden nach Datum ihrer Entstehung unterschieden. Es sind Farbflecken, tastende Spur oder verdichtet und geballt, der Unmittelbarkeit des Empfindens entsprungen. In früheren Schaffensphasen ist ordnenden und festigenden Strukturen und Formen mit nachdrucklichen Konturen zu begegnen; die Geländeform ist erkennbar, der Vordergrund setzt sich gegen die Bildtiefe ab, die Distanzen sind auszumachen, das dingliche Gegenüber bleibt präsent. Nie gibt sich Gruber mit Gefälligkeiten zufrieden. Die Bildflächen wirken gedrängt, prall voll von Farben und Formen. Später aber streifen sie ihre Dinglichkeit ab, fügen sich fortan Impulsen des Kopfes und der Hand. Nicht Vorhandenes, Vorfindbares zu registrieren und unter einem besonderen Impuls auszusetzen, heisst nun das Vorhaben, sondern sich ohne Rückhalt dem Einfinden und Werden neuer Formen und Farben zu überantworten.
Hannes Gruber ist 1928 geboren; er wird also, nämlich am 22. Oktober, siebzig Jahre alt. 1966 trat er in der Zürcher Galerie Läubli zum ersten-mal an die Öffentlichkeit. Ihm war auch, anfänglich in Oberrieden zu Hause, wiederholt an den Kunstausstellungen «Zürich-Land» zu begegnen. Später nennen die Kataloge SIls-Baselgia im Engadin als Ort seines Wirkens. Die Bergwelt, die Schneeschmelze, Bergeller Bauern. Landschaften am Mittelmeer werden wichtige Motive. Immer wieder stellte der Zürcher zusammen mit Bündnern Malern aus, mit Malern aus der Stadt stand er in freundschaftlicher Verbindung, mit Ernst und Max Gubler, Karl Hosch, Varlin, Karl Madritsch und vielen andern mehr. Grubers Expressionismus ist von besonderer Art: Statt die Formen zu sprengen, beschreitet er den Weg zu besonderen Weisen der Verinnerlichung, die sich aus genauer Naturbeobachtung nährt.
― NEUBURG, HANS: P. Wd, Vom Naturerlebnis zur zur Abstraktion. Hannes Gruber in der Galerie Bommer, NZZ vom 23.09.1998